Parodontitis ist nicht nur sprichwörtlich in aller Mund: Laut der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG Paro) sind Millionen Menschen betroffen, doch viele wissen es gar nicht. Denn die Entzündung des Zahnhalteapparates ist eine stille Erkrankung. Und genau das macht sie so gefährlich.
Herr Lukas Buss, wie kann es sein, dass so viele Menschen eine Parodontitis haben, ohne es zu wissen?
„Aber ich habe doch gar keine Schmerzen“: Das ist die häufigste Reaktion von Patienten, wenn wir zum Beispiel bei der Prophylaxe feststellen, dass bei ihnen eine Parodontitis vorliegt. Und genau hier liegt auch der Grund, warum die Erkrankung oft so lange unentdeckt bleibt: Die Parodontitis wird auch deshalb als stille Infektion bezeichnet, weil sie in der Regel lange schmerzfrei verläuft. Das Tückische ist, dass auch die Vorstufe – die Zahnfleischentzündung oder Gingivitis – zunächst oberflächlich abläuft und keinen Schmerzreiz auslöst. Darum merken die meisten Patienten auch nicht, dass sie bereits mit einer tickenden Zeitbombe im Mund herumlaufen: Tatsache ist, dass heute mehr Menschen Zähne durch Parodontitis als durch Karies verlieren. Außerdem ist die allgemeine Gesundheit in Gefahr – Parodontitis kann auch fatale Auswirkungen auf den Körper haben.
Was meinen Sie damit?
Nicht nur die Zahngesundheit fängt beim Zahnfleisch an: Im Zahnfleisch findet der unmittelbare Kontakt unseres Blutkreislaufes zur Außenwelt statt. Und bei einer fortgeschrittenen Entzündung am Zahnbett entspricht die potenzielle Wundfläche im Mund in etwa der Größe eines Handtellers. Von dort aus gelangen die entzündungsverursachenden Bakterien in den Blutkreislauf und verteilen sich im Körper – und können dort bleibende Schäden anrichten. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Parodontitiserkrankte einem doppelt so hohen Risiko eines Herzinfarktes ausgesetzt sind und vier- bis siebenmal öfter einen Schlaganfall erleiden als Menschen, deren Zahnfleisch gesund ist. Und bereits eine mittelschwere Parodontitis kann die Gefahr einer rheumatischen Erkrankung um das Sechsfache steigern – bei Schwangeren erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt sogar um das Achtfache. Das sind alarmierende Zahlen! Unser Hauptanliegen bei Dr. Beetke und Kollegen in Hamburg ist es, Zahnfleischentzündungen frühzeitig und effektiv vorzubeugen, um möglichen Folgeerkrankungen von Anfang an die rote Karte zu zeigen.
Gibt es Warnzeichen, die auf eine Zahnfleischentzündung im Frühstadium hinweisen?
Die Vorstufe zur Parodontitis, die Gingivitis, ist oft daran zu erkennen, dass die Zähne länger zu werden scheinen, weil das Zahnfleisch zurückweicht und die Zahnhälse freilegt. Weitere Anzeichen sind Schwellungen des Zahnfleisches und Mundgeruch. Zudem kann es zu Zahnfleischbluten kommen – wenn sich die Zahnbürste beim Putzen aber regelmäßig rot verfärbt, ist die Entzündung meist schon fortgeschritten.
Wenn Sie erkennen, dass sich eine Parodontitis entwickelt hat – wie behandeln Sie diese dann?
Leider lässt sich die Uhr nicht zurückdrehen: Eine Parodontitis ist nicht heilbar – durch eine gezielte Therapie können wir die chronische Entzündung des Zahnhalteapparates aber anhalten. In der Regel bekommen wir sie in unserer Praxis Dr. Beetke und Kollegen in Hamburg mit der sogenannten geschlossenen Parodontitsbehandlung – also ohne chirurgischen Eingriff – in den Griff. Nur wenn sehr tiefe Taschen entstanden sind, müssen wir die entzündungsverursachenden Beläge in einer kleinen Operation entfernen. Meist genügt aber das herkömmliche Verfahren, um die Erkrankung zu stoppen.
Ist es richtig, dass die Parodontitis insbesondere für Diabetiker ein hohes Risiko darstellt?
Das ist leider richtig, denn zwischen beiden Erkrankungen besteht eine gefährliche Wechselwirkung. Eine vorhandene Parodontitis kann die sogenannte Zuckerkrankheit negativ beeinflussen beziehungsweise ihre Entstehung begünstigen. Durch offene Stellen im Mundraum gelangen Bakterien in den Blutkreislauf – der Körper reagiert mit einer Entzündung, die zu einer Erhöhung des Blutzuckerspiegels führen kann. Das erschwert das korrekte Einstellen einer Diabetes-Erkrankung – bei Nichtdiabetikern steigt das Risiko eines Diabetes mellitus als Folge der Parodontitis. Aber auch umgekehrt besteht eine negative Beziehung: Diabetes ist nachweislich ein Risikofaktor für die Entzündung des Zahnhalteapparates. Auch hier spielen die Blutzuckerwerte eine wesentliche Rolle: Sind sie erhöht oder nicht richtig eingestellt, werden entzündliche Vorgänge im Körper verstärkt, das Immunsystem geschwächt und die Wundheilung gehemmt. Im Mundraum befördert dieses ungünstige Zusammenwirken die Entstehung einer Parodontitis.